aktualisiert: 23.5.2016 / BG, Gu

Unsere Gäste im November 2015:    (Teil 2)

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unsere Gäste im November 2015  (Teil 1)

unsere Gäste im November 2015  (Teil 3)

 

 

Ursula und Ueli

vom 20. bis 24. November 2015 in Strassburg

 

 

 

 

"Freundschaft ist, wenn man beim ersten Wiedersehen nach langer Zeit das Gefühl hat, sich gerade erst gestern gesehen zu haben." Mit diesem und mit ähnlichen Sprüchen haben uns Ursula und Ueli einen Adventskalender geschenkt. Dadurch durften wir jeden Tag in der Adventszeit in Strasbourg einen Spruch über die Freundschaft lesen.

 

 

 

 

Zum sechsten Mal verbrachten wir mit Ursula den Tag, an welchem in Bern der Zibelemärit stattfindet. Dieses Jahr aber war ausserordentlich, denn dieses Jahr konnte ihr Gatte Ueli sie begleiten. Dank sei dem "Ruhestand", der so viel Neues ermöglicht. Mit ihnen zusammen durften wir eine abwechslungsreiche Entdeckungstour durch Strassburg unternehmen. Angefangen hat sie beim Pont Vauban, von dessen Dachterrasse aus die Stadt Strassburg einen phantastischen Anblick bietet.

 

 


 

 

 

 

Von dort aus ging's über die Grande Rue zum Münster "Notre Dame de Strasbourg". Seine gotische Formgebung begann bereits im Jahr 1015, als ein Steinmetz die eben erst in Paris "erfundene" Weiterentwicklung der Baukunst "à la française" ins deutsche Kaiserreich herüber brachte. Bis zu seiner heutigen Pracht sollte noch drei Jahrhunderte lang daran weitergebaut werden. Der Turm des Münsters ist in Strassburg von überall her zu sehen. Das städtische Baurecht verhindert im Altstadtbereich Gebäude, welche die Münsterplattform überragen würden. Der reichhaltigst dekorierten Fassade entspricht ein imposanter Innenraum, der uns immer wieder mit Faszination anzog. Als Erstes fing im Schiff eine im Scheinwerferlicht prangende, reich vergoldete Schwalbennestorgel unsere Blicke ein. Sie wurde 1716 von Andreas Silbermann erbaut, im 19. und 20. Jahrhundert wiederholt restauriert und besitzt heute 47 Register mit 2'602 Pfeifen, die über 3 Manuale und ein Pedal bespielt werden können. Wer hier in die Tasten greifen darf, gehört zu den Besten.

 

 

Die Kanzel aus Sandstein ist ein Prunkstück der Steinmetzkunst. In Erinnerung an Johann Geiler von Kaysersberg, der im Strassburger Münster von 1478 bis 1486 einer der bedeutendsten deutschen Prediger des ausgehenden Mittelalters war und den sein Hund stets - auch auf die Kanzel - begleitete, ziert ein kleines Abbild aus Sandstein den Treppenaufgang zur Kanzel.

Das Westfenster, die zierlich gegliederte und doch so mächtige Rosette, hat einen Durchmesser von 13 m. Von den Maisbauern des Elsass finanziert, finden sich im Mittelkreis rundstrahlende, reifgelbe Maiskolben. Die Rosette als Ganzes und die verschiedenen Kreise im äussersten Ring versinnbildlichen Ganzheit, Gleichgewicht, Lebensharmonie und letztdendlich göttliche Vollkommenheit.

Das modern gestaltete Ostfenster dagegen fällt kaum ins Auge.

 

 


Eine weitere Silbermannorgel von 1741 steht in der Thomaskirche. Sie wurde 1979 von Alfred Kern in Annäherung an das Original restauriert. Ihre 38 Register werden über drei Manuale und ein Pedal bespielt. Auf ihr spielte 1778 bereits Wolfgang Amadeus Mozart. Ihren wunderbaren Klang durften wir bei unserem Besuch geniessen, weil der Organist just zu diesem Zeitpunkt darauf übte.

 

 

 

 


Das Tomi Ungerer Museum bot uns eine Sonderausstellung unter dem Titel "Kinderbücher ohne Tabu". Seit Anfang der Druckkunst ist Strassburg ein wahres Zentrum der Illustration. Die Entwicklung des Kupferstiches und der Lithografie prägten die Geschichte dieser oft eher als Handwerksprodukte denn als Kunst eingestuften Werke. Ein massgeblicher Vertreter dieser Kunstform ist der gebürtige Strassburger Gustave Doré (1832-1883). Im 20. Jahrhundert ist Tomi Ungerer, 1931 gleichfalls in Strassburg geboren, zweifelsohne ein ebenbürtiger Nachfolger. Auf diese Kunstform und deren Vermittlung konzentrieren sich Sammlung und Sonderausstellungen des Tomi-Ungerer-Museums.

 

 

 

 

Zu seinen zahlreichen Sammelstücken gehören Zeichnungen für Kinderbücher, Werbeplakate und Zeitungsinserate sowie Karikaturen und Satirezeichnungen. Das Umfeld der illustrierenden Zeichnung im 20. Jahrhundert zu erforschen, gehört ebenfalls zu den Aufgaben des Museums.

 

 

 

 

Eines der Schwerpunkte der Sonderausstellung ist Wilhelm Buschs Werk "Max und Moritz" (1865), das Deutschlands Fantasiewelt beflügelt hat. Nach dem Vorbild des 1845 erschienenen Struwelpeters berichtet es von den sieben Streichen der zwei "schrecklichen Schlingel" - so der französische Übersetzer François Cavanna. Genauso humoristisch erzählt und illustriert Wilhelm Busch seine Version des berühmten Grimm'schen Volksmärchens "Hänsel und Gretel" (1864), der Fabel "Katze und Maus" (1864) und "Schnurrdiburr oder die Bienen" (1872).

 

 

Das mutige kleine Kätzchen rechts aus dem Buch "Da bin ich", knapp dem Tod entkommen und auf der Suche nach einem besseren Leben, stammt aus der Feder von Friedrich Karl Waechter (1937-2005), der seinen dynamischen, treffsicheren Strich ohne Zweifel bei Wilhelm Busch abgeguckt hat.

Dieses Plakat links, das ursprünglich als Titelblatt für die New Yorker Zeitschrift Monocle gezeichnet wurde, ist weltberühmt geworden. Beim Thema Rassentrennung, das zu diesem Zeitpunkt in den USA dramatische Bedeutung hatte, besass Ungerer die Kühnheit, beide Lager an ihre Verantwortung zu erinnern:

Wie auf einer Spielkarte wird ein Schwarzer und ein Weisser dargestellt, einander entgegengesetzt liegend und sich gegenseitig auffressend.

 

 


 

 

Das Abendprogramm mit Ueli und Ursula sah neben Spielen und Schwatzen auch einen Theaterbesuch vor. Im Kabarett-Theaterstück "d' Nas Voll" in der "Choucrouterie" konnten wir uns köstlich amüsieren. Es wurde Elsäsisch gesprochen. Für uns alle sprachliches Neuland. Erstaunlich, wieviel wir von den Sketches und Possen mitkriegten.

 

 

 

 

Es ging um weltliche Themen wie Essen und heimliche Verführer,

die Neuinterpretation der
10 biblischen Gebote

oder die aktuelle Grossregion ACLA (Alsace, Champagne, Lothringen und Ardennen).

 

 

 

 

Wir haben uns ein wenig mit der elsäsischen Sprache auseinander gesetzt. Also das ist eine Wissenschaft für sich! Auch wenn 's Elsässisch insgesamt ein deutscher Dialekt ist, gibt es acht verschiedene, ortsbezogene Ausprägungen, die sich einerseits in der Betonung, andererseits in verschiedenen Wörtern für dieselbe Sache unterscheiden. Hier ein kleines Müsterchen der elsässischen Sprache:

"Ohne sini Brill kànn d'r Leo d' kleine Büechstàwe nitt läse."

 

 


Noch mehr übers Elsass fanden wir im Musée d'Alsace, wo Volkskunst und Brauchtum die Schwerpunkte der Ausstellung bilden. Es zeigt, was den Alltag der ländlichen elsässischen Bevölkerung im 18. und 19. Jahrhundert prägte.

 

 

 

 

Trachten

 

 

 

 

Weizenspeier

 

 

 

 


Nach so viel Vergangenheit kehrten wir wieder zurück in die Gegenwart und erfreuten uns in der Winstub zum Strissel (erbaut 1382) im Spittelgässel eines feinen Mittagessens. Es war schon nach 14 Uhr und vor der Nachmittagspause kaum mehr jemand in der Gasstube. Der Empfang war trotzdem herzlich und wir fühlten uns in dieser Winstub sehr wohl.

 

 

Wirtshausschild "zum Strissel"
("zum Straussen")

"Flammekuche" und
Zitronentorte zum Dessert

 

 

 

 

Nach dem Mahl - wir waren noch die einzigen Gäste im Lokal - zeigte uns die Gerantin die zwei Speisesäle im oberen Stockwerk. Der "Strissel" kann 150 Gastplätze anbieten, was ihn für den bevorstehenden Weihnachtsmarkt zu einem beliebten Ziel werden lässt, wenn der Magen knurrt. Schliesslich ist es auch das älteste Gastlokal in Strassburg, direkt hinter dem mitelalterlichen Stadhafen gelegen. Dass seine Anfänge auf eine Bierbrauerei zurückgingen, verwundert angesichts der zahlreichen Hafenarbeiter und Händler als seinerzeitige Kunden nicht.

 

 

 

 


Auch wenn die politische Schweiz mit Europa noch so ihre Anfreundungsprobleme hat: Ein Besuch von Strassburg ohne die Europäischen Institutionen wenigstens von aussen gesehen zu haben, wäre nur die Hälfte vom Kuchen. Mit dem Tram vom Stadtzentrum aus so einfach zu erreichen, konnten wir unsern Gästen erst das Gebäude des Europäischen Parlaments mitsamt seiner architektonischen Symbolik zeigen, ...

 

 

 

 

... und mit einer halben Umdrehung direkt vor dem Justizpalast der Europäischen Menschenrechte zu stehen kommen. Seine zwei Tambouren mit den darin untergebrachten Gerichtssälen scheinen sich wie die Waagschalen der Justizia an einer Traverse auszubalancieren. Der gläserne Mittelbau bildet den Empfang und steht in seiner Durchsichtigkeit für eine transparente Rechtsprechung.

 

 

 

 

Nach einer weiteren Drehung war das nach aussen trutzige, nach innen verbindende Gebäude des Europarates zu sehen, bei dem die Schweiz seit seiner Gründung 1949 Mitglied ist. Das nahe gelegene Dokumentationszentrum über die europäischen Institutionen ist eine hilfreiche Stütze, um sich über die vielen Wirkungsfelder und Organe der zwei verschiedenen Organisationen "Europarat" und "Europäische Union" zu informieren.


Auch der sonntägliche Bummel durch die schönen Gassen war voller Überraschungen. Dem Touristenstrom entsprechend, waren verschiedene Spezialgeschäfte geöffnet. Ein Käsehändler führte uns mit kleinen Probierhäppchen durch sein Sortiment ...

 

 

 

 

... und kaum zehn Meter weiter standen schon wieder einladende Verkäuferinnen vor einem Lebkuchenladen. Auch da degustierten wir und kauften ein. Die Taschen wurden immer schwerer und schwerer, bis uns nur noch der Weg zurück zum Schiff vor Überlast rettete.

 

 

 

 

Am Abend spielten wir und das hed ou gfägt.

 

 

 

 

Es war schön, so zu viert Strassburg zu erkunden, wenn auch das Wetter nicht gerade immer so rosig war. Zu viert zu spielen oder miteinander im Park der Zitadelle gerade neben dem Hafen spazieren oder trotten zu gehen, machte sehr grossen Spass.

 

 

 

 


 

 

"Lebe in der Vergangenheit, wenn du traurig sein willst. Lebe in der Zukunft, wenn du ängstlich sein willst. Und wenn du glücklich sein willst, dann geniesse den Moment."

 

 

Wir haben die vielen Momente mit Ursula und Ueli sehr genossen beim Lachen, beim Reden, beim Spielen, beim Sightseeing und beim Essen. Wir verabschiedeten unsere Gäste mit der freudigen Erwartung auf ein Wiedersehen und eine neue gemeinsame Entdeckungstour irgendwo in Europa.

 

 

 

 

 

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